Schelmenmarktheft 2023

52 Rapunzel‘s Turm in Gelnhausen? Nein, natürlich nicht! Doch viele kennen den kleinen, gut ver- steckten und in der Neuzeit nicht mehr so bekannten kleinen Turm, oder sagen wir es gleich richtig: Warte. Heute wird er, nach den Grenzen genommen, dem Ortsteil Roth zugerechnet. Er diente aber im 13. Jahrhundert, seiner angenom- mene Bauzeit, als vorgeschobener Beobachtungsposten von Gelnhausen. Wie am historischen Stich oben gut zu erkennen, war der Baumbestand auf den Hügeln bei Weitem nicht so aus- geprägt, wie er es heute ist. Dies beruht auf der Tatsache, dass auf den Bergen um Gelnhausen der Weinbau blühte, was man heute noch leicht am Panoramaweg und am Philosophenweg unschwer erahnen kann. Hier sind noch gut die Terrassen zu er- kennen. Horst Stock, Vorsitzender des Geschichtsvereins Geln- hausen, hat hier in mühevoller Arbeit die alten Trockenmauern instandgesetzt undmit viel Liebe zumDetail einen wunderbaren Blick in die Geschichte des Gelnhäuser Weinbaus offen gelegt. Da es im Mittelalter noch keine moderne Kommunikation gab, musste man sich mittels Zeichen oder Lichtsignalen verständi- gen, bzw. im Falle des Wartturmes, warnen. Da er zum Befestigungssystems der Stadt Gelnhausen gehörte, war er der westlichste Beobachtungsturm und konnte somit die alte Handelsstraße von Frankfurt nach Leipzig, bis weit in den Westen hinaus, beobachten. Plündernde Horden oder auch Waldbrände konnten von diesem vorgeschobenen Posten früh- zeitig erkannt werden und dann dem nächsten Posten, vermut- lich auf dem Buttenturm, weiter gegeben werden. Ein ähnliches System und eine fast schon identische Bauform ist unter ande- rem in Bad Orb zu finden. Auch hier ist die Position des Warttur- mes so vorgelagert, dass man das gesamte Tal einblicken kann. Doch zurück zum Wartturm von Gelnhausen. Über viele Jahre hinweg fristet er ein eher tristes Dasein. Zugewuchert, unzu- gänglich und auch nicht gepflegt. Das machte ihn nicht son- derlich attraktiv. Zu der Zeit, in der die amerikanische Armee im Tal ansässig war, zog es auch viele Menschen nicht in das Herzbachtal, welches unterhalb des Wartturmes verläuft. Im Herzbachtal war, neben den Schlafsälen, im hinteren Bereich auch das Übungsfeld der Armee, welches heute von der Na- tur zurück erobert wurde. Und so ist es nicht verwunderlich, dass viele den Turm auch schlicht vergessen haben. Auch im Internet sind Kommentare in den sozialen Medien zu finden, in denen sich amerikanische Soldaten jetzt (nach der Renovie- rung und den Berichten in den sozialen Medien) wieder an den „Rapunzel-Tower of Gelnhausen“ erinnern. Aufnahme von Heinrich Fischer, 1927 (Quelle:Main-Kinzig-Kreis,ArchivZfR.) Der Orber Wartturm Der Bergrücken des Wartturms mit den Schlafsaal-Gebäuden im Tal und dem Übungsfeld (rechts) der US-Armee

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